Viele Unternehmen funktionieren immer noch hierarchisch wie im Industriezeitalter. Dabei würden sich selbstorganisierte Teams viel besser eignen, um die heutigen Herausforderungen zu bewältigen. Was es dafür braucht und warum keine Standardlösung existiert..
Frederick Winslow Taylor schrieb 1911 das Buch „The Principle of Scientific Management“. Seine Theorie besagt, dass über die Standardisierung die Komplexität reduziert, die Effizienz gesteigert, die Kosten gesenkt und somit der Profit gesteigert werden kann. Sie beruht auf genauen Zeit- und Arbeitsstudien der Menschen in den Fabriken. Die Umsetzung erfolgt durch die sorgfältige Auswahl des zur Arbeitseinheit passenden Menschen und die Ausführung der geplanten Arbeit ohne Abweichungen. Diese Theorie basiert auf Arbeitsteilung zwischen Denkern/Führungskräften die analysieren, organisieren und überwachen und Arbeitern, die immer den gleichen Handgriff ausführen (mitdenken ist nicht erwünscht).
Henry Ford hat diese Theorie erfolgreich mit dem Model T umgesetzt und somit nicht nur die individuelle Mobilität, sondern auch die industrielle Produktion revolutioniert.
Die Welt hat sich inzwischen vom Industriezeitalter verabschiedet, aber die Aufbau- und Ablauforganisationen vieler Unternehmen bauen heute noch auf die Thesen von Taylor auf. Diese Unternehmen sind auf Effizienz in einer vorhersehbaren Welt getrimmt. Innovation ist mit diesen Organisationsformen schwer möglich. In diesen Unternehmen konzentrieren sich die Bewerbungsgespräche noch auf die sorgfältige Auswahl des geeigneten „Lohnabhängigen“ zur spezifischen Arbeitseinheit, wobei oft leider der Mensch als Ganzes, mit seiner Vielzahl an Talenten, übersehen wird.
Heute ist unsere Welt charakterisiert von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit, (kurz VUCA: Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity). In dieser Welt führt ein transaktionaler Führungsstil, der auf Zielvorgaben, Kontrolle und Belohnung/Sanktionen beruht nicht mehr zum Erfolg. Laut einer Studie von Gallup vom Jahre 2016 habe 85% der Mitarbeiter der weltweit befragten Unternehmen innerlich bereits gekündigt, da sie den Sinn ihrer Tätigkeit nicht mehr verstehen. Aufgrund dieser schwierigen Rahmenbedingungen und in Anbetracht der Herausforderungen der Digitalisierung, müssen Führungskräfte anders agieren und Unternehmen sich neu erfinden, wenn sie weiterhin erfolgreich sein wollen.
Eine einfache bildliche Darstellung, welche uns hilft zu verstehen, warum manches Vorgehen in bestimmten Situationen ungeeignet ist, ist die Stacey-Matrix vom Professor für Management Ralph Douglas Stacey. Es handel sich um ein einfaches Koordinatensystem, das den Grad der Unsicherheit der Anforderungen den Grad der Vorbestimmtheit des Lösungsansatz entgegensetzt. Bei weitreichender Klarheit der Anforderungen können traditionelle, deterministische Lösungsansätze angewendet werden. Zum Beispiel wird in der Softwareentwicklung bei stabilen Anforderungen das Wasserfallmodell mit traditionellen Projektmanagement Methoden angewendet. Bei großer Unsicherheit in den Anforderungen (Volatilität, Komplexität, Mehrdeutigkeit) funktionieren traditionelle Methoden nicht mehr. Vermehrt kommen hier Agile- und Design Thinking Methoden zum Einsatz (siehe dazu das Agile Manifest) .
Auch Organisationen erkennen vermehrt, dass bei komplexer werdenden Rahmenbedingungen hierarchische Strukturen mit funktionalen Silos den notwendigen Innovationsdrang einschränken oder sogar verhindern. Stattdessen werden vermehrt selbstorganisierte, autonome Teams eingesetzt, da diese besser geeignet sind die VUCA Herausforderungen zu meistern. In diesen Teams muss das gesamte notwendige Know-how bezüglich potentielle Kundenwünsche und notwendiger Technologien zur Implementierung gebündelt werden, um die Geschwindigkeit der Innovation erhöhen zu können (Autorisierungsschleifen in den Silos und der Hierarchie entfallen). Voraussetzung ist die Präsenz einer positive Fehlerkultur in der Organisation – Scheitern muss erlaubt sein – und die Bereitschaft der Team-Mitarbeiter Verantwortung zu übernehmen. Anzeichen mangelnder Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung sind Sätze von Mitarbeitern welche mit „…ja aber..“ beginnen. Es muss berücksichtigt werden, dass nicht jeder Mitarbeiter Interesse hat, sich im Beruf ständig einzubringen und dafür auch die Verantwortung zu übernehmen.
Werden gleichzeitig mehrere selbstorganisierte Teams eingesetzt, sind neue Managementansätze notwendig, welche die Kreativität des Teams maximieren und gleichzeitig sicherstellen, dass die neuen Initiativen auf die geschäftliche Vision, Mission und Strategie ausgerichtet bleiben.
Sind die Grenzen der Autonomie der Teams sowie die notwendigen Leitplanken vorab nicht genau abgestimmt, riskiert die Organisation das Chaos, wo Teams von den Geschäftszielen/Strategien abweichen oder in die Verantwortlichkeiten anderer Teams eingreifen. Wie maximale individuelle Initiative und Kreativität innerhalb vorgegebener und gemeinsam ausdiskutierter und ausgehandelter Rahmenbedingungen funktionieren kann, zeigen Organisationsformen wie zum Beispiel die Soziokratie oder die Holokratie.
Die Entwicklung der Organisation von einer traditionellen, hierarchischen Aufbau- und Ablauforganisation zu selbstorganisierten Teams entspricht einer 180 Grad Kehrtwende der dahinterstehenden Werte und der Kultur. Diese Werte und die Kultur sind das Resultat der gesamten Geschichte/Lebensdauer der Organisation. Deshalb muss die Organisationsentwicklung sehr behutsam geplant und umgesetzt werden. Mögliche Umsetzungsschritte könnten sein:
- Erkläre den Mitarbeitern immer wieder die Gründe und Ziele der Veränderung
- Investiere sehr viel in Schulungen (Agile Methoden und Design Thinking) und Coaching
- Starte mit kleinen Inseln (einzelne Teams) und versuche nicht sofort die gesamte Organisation zu ändern
- starte den Veränderungsprozess in guten Zeiten, in schlechten Zeiten „passiert“ Veränderung
- Dieser Veränderungsprozess dauert Jahre, überstürze nichts
Es gibt keinen einzig richtigen Weg für alle. Stattdessen müssen Unternehmen in ihrer jeweiligen aktuellen Situation den für sich geeigneten Mix aus traditionellen und agilen Formen der Zusammenarbeit finden
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