Vertrauen, Transparenz und Mut zur Übernahme von Verantwortung sind die Voraussetzungen für hierarchielose Organisationsformen


Innovation ist heute eine Voraussetzung für das kontinuierliche Wachstum eines Unternehmens.

Um die Kreativität der Teams zu steigern und den notwendigen Innovationsschub zu entfesseln, werden vermehrt selbstorganisierte, autonome Teams eingesetzt. Aber die Entwicklung der Organisation von einer traditionellen, hierarchischen Aufbau- und Ablauforganisation hin zu selbstorganisierten Teams entspricht einer 180 Grad Kehrtwende der dahinterstehenden Werte und der Kultur. Eine hierarchische Aufbau- und Ablauforganisation könnte auch ohne gegenseitiges Vertrauen funktionieren, da ein engmaschiges Netz basierend auf Zielvorgaben, Kontrolle und Belohnung/Sanktionen für die Einhaltung der Vorgaben der Führungskräfte sorgt. Will man aber die Innovationsfähigkeit des Unternehmens mit der Einführung von hierarchielosen Organisationsformen steigern, muss die Veränderung mit einer Diskussion über die Werte beginnen. Zentraler Wert ist hierbei, laut meiner Einschätzung, das gegenseitige Vertrauen. Aber auch Transparenz und Mut zur Übernahme von Verantwortung sind für die Schaffung autonomer Teams fundamental.

Bei der Definition von Vertrauen beziehe ich mich hier auf die Arbeit von Margit Osterloh und Antoinette Weibel (Investition Vertrauen ISBN 978-3-409-12665-6).

Laut Osterloh und Weibel hat sich folgende Definition von Vertrauen etabliert:

Vertrauen ist der Wille, sich verletzlich zu zeigen

Dieser einfache Satz umfasst 3 Dimensionen:

  1. der Vertrauende riskiert einen Schaden bzw. eine Verletzung;
  2. der Vertrauende liefert sich dem Vertrauensnehmer aus und setzt zum Vertrauenssprung an;
  3. der Vertrauende macht diesen Vertrauenssprung, weil er die positive Erwartung hat, dass der Vertrauensnehmer die Situation nicht zu seinen Gunsten ausnutzt.

Für das Vertrauen ist der Faktor Zeit eine wichtige Komponente, denn die Zeit ermöglicht ein besseres Kennenlernen zwischen Vertrauensgeber und Vertrauensnehmer. Immer laut Osterloh und Weibel ergeben sich aus dieser Erfahrung 3 Eigenschaften der Vertrauenserwartung:

  1. der Vertrauende erwartet, dass der Vertrauensnehmer über die notwendigen fachlichen und sozialen Kompetenzen verfügt
  2. der Vertrauende erwartet, dass der Vertrauensnehmer über die Integrität verfügt vereinbarte Normen einzuhalten, auch wenn diese Normverletzungen nicht entdeckt werden können
  3. der Vertrauende erwartet Benevolenz vom Vertrauensnehmer, dass dieser keinen unfairen Vorteil aus dieser Situation zieht.

Alle 3 Eigenschaften müssen gleichzeitig erfüllt werden. Je stärker der Vertrauensnehmer die Erwartungen bezüglich Kompetenz, Integrität und Benevolenz erfüllt, desto größer ist das Vertrauen des Vertrauensgebers. Eine Evidenz, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt eine dieser Eigenschaften nicht erfüllt wird, kann schnell die mit der Zeit aufgebaute Vertrauensbasis wieder zerstören.

Informationen, welche zeitgerecht und offen vom Vorgesetzten geteilt werden, tragen zum Vertrauensaufbau bei. Somit schafft und erhält Transparenz das gegenseitige Vertrauen.

Führungspositionen in hierarchischen Organisationen sind charakterisiert von einem Informationsvorteil gegenüber den Mitarbeitern. In diesem Sinne kann man auch die Aussage „Wissen ist Macht“ verstehen. Silo-Strukturen erschweren zusätzlich den Austausch von Informationen über die Silo-Grenzen hinweg. Der mögliche Grad der Unternehmenstransparenz ist aber abhängig von dem aktuellen Entwicklungsstadium der Organisation. Bei Mitarbeitern, welche ihr gesamtes Berufsleben in hierarchischen Strukturen verbracht haben, kann Transparenz auch zu Verunsicherung und damit zu schlechterer Leistung führen. Dementsprechend muss die Transparenz behutsam eingeführt werden. Die Prozesse sollten so aufgestellt werden, dass sie für jeden einsehbar und verständlich sind. In einer Organisation, die die Werte Vertrauen und Transparenz als erstrebenswert sieht, sind die Informationen über Ziele, Strategien, Abläufe, Sachverhalte und/oder Entscheidungswege frei zugänglich und entsprechen auch der Realität. In diesem Sinne ist Transparenz mit dem Wert Ehrlichkeit verbunden. Sobald dieses Prinzip von allen akzeptiert wurde, muss Transparenz auch von allen gelebt werden, Ausnahmen in den Prozessen kann es da nicht mehr geben.

Ab diesem Punkt wissen alle Mitarbeiter, wo sie sich einbringen dürfen und müssen. Gleichzeitig ist auch klar, was nicht die Aufgabe einer bestimmten Arbeitsgruppe ist. Das gibt den Mitarbeitern den für die Kreativität und Innovationsfähigkeit nötigen Freiraum, aber auch die damit verbundene Verantwortung. Diese Arbeitsgruppen sollten, in fortgeschrittener Organisationsveränderungsphase, mit der vollen Entscheidungsgewalt ausgestattet werden, da sie am besten über die jeweilige Thematik und die Bedürfnisse der Kunden Bescheid wissen.

Dass dies nur in einer fortgeschrittener Phase durchgeführt werden kann, hängt damit zusammen, dass vielleicht nicht jeder Mitarbeiter auch dazu bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Es kann auch durchaus Mitarbeiter geben, welche die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung bekundet haben, aber in schwierigen Situationen den Mut verlieren und größtmögliche Unterstützung benötigen.

Eine Organisationsanpassung weg von einer rein auf Anweisung und Kontrolle beruhender Zusammenarbeit hin zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit ist ein langer und beschwerlicher Weg, da es eine fundamentale, auf Grundwerten basierende Neuausrichtung ist. Vor allem langjährige Mitarbeiter, welche das zu ändernde Wertesystem ihrer Organisation verinnerlicht haben, werden besondere Aufmerksamkeit benötigen, um diese Veränderung mittragen zu können.

Veröffentlicht von Alex

Berater für Digitalisierung- und Organisationsentwicklung

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